Aktuelle Themen rund ums Steuerrecht
Sollten Sie Fragen zu den von uns veröffentlichen Themen haben, wenden Sie sich sehr gerne an meine Kanzlei. Wir werden Ihnen selbstverständlich gerne weiterhelfen.
Ein Service der Steuerkanzlei Alfred P. Röhrig aus Bad Honnef
Was darf ein Freiberufler nach der Praxisveräußerung beruflich noch machen?
Vorweghinweis
In der Praxis stellt sich zunehmend die Frage, wie Fallgestaltungen zu beurteilen sind, bei den Freiberufler ihre Praxis veräußern möchte, aber gleichzeitig noch weiter tätig sein wollen.
Hier besteht die Gefahr, dass die Steuervergünstigungen der §§ 16, 34 EStG verloren gehen.
Nachfolgend finden Sie die Grundsätze und die Gestaltungsüberlegungen.
Veräußerung einer Freiberuflerpraxis und die Grenzen der weiteren Tätigkeit, FG Köln v. 3.12.2014, 13 K 2231/12 Rev. AZ BFH VIII R 2/15, EFG 2015, 556
Die Rechtsfragen
Zunächst ist fraglich, welcher Zeitraum zwischen der Veräußerung einer Praxis und der Wiederaufnahme einer selbständigen Tätigkeit am gleichen Orte liegen muss.
Danach ist die Frage zu klären, nach welcher Rechtsnorm die Finanzbehörden ggf. die ursprüngliche Steuerfestsetzung noch ändern können.
Die Beurteilung durch das FG Köln zur ersten Rechtsfrage
Das FG sieht in der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am selben Ort nach 22 Monaten eine nicht ausreichende Karenzzeit.
Das FG beurteilt den Sachverhalt lediglich als eine Unterbrechung der bisherigen Tätigkeit.
Aufgrund dieser Annahme gelangt das FG zu dem Ergebnis, dass die ursprüngliche Veräußerung nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigt ist.
Die Urteilsanmerkungen zur Frage einer potentiellen Änderung, EFG 2015, 556, 560
Bemerkenswert sind die Äußerungen von Kühnen in den Urteilsanmerkungen.
Kühnen führt hier zunächst aus, dass im Urteilsfall eine Änderung nach § 164 AO erfolgen konnte.
Eine Änderung nach § 173 (1) Nr. 1 AO schließt sie aus, da die Tatsachen erst nachträglich entstanden sind.
Bemerkenswert sind die Äußerungen von Kühnen zu dennoch möglichen Änderung.
Kühnen führt hier aus, dass Sie im gegebenen Sachverhalt – durch das erneute Tätigwerden innerhalb von 22 Monaten – ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 (1) Nr. 2 AO sieht.
Hierdurch wird dem FA eine Änderung auch außerhalb des § 164 AO ermöglicht.
Die ausführlichen Antworten des BFH im Urteil vom 21.8.2018 VIII R 2/15, DStR 2018, 2519
Die m.E. bekannten Standpunkte, die der BFH lediglich wiederholt:
- Mandantenstamm und Praxiswert sind wesentliche Betriebsgrundlagen einer freiberuflichen Praxis
- Eine nach § 18 (3) EStG begünstigte Praxisveräußerung liegt nur vor, wenn sämtliche immateriellen WG definitiv übertragen werden
- Damit die flüchtigen WG auf den Erwerber übergehen können, muss der Veräußerer seine bisherige im eigenen Namen und für eigene Rechnung ausgeübte Tätigkeit für einen „gewissen“ Zeitraum im relevanten sachlichen und örtlichen Bereich einstellen
- Unschädlich ist eine unselbständige oder selbständige entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit im Namen und für Rechnung des Erwerbs
- Eine Umsatzbeteiligung für neu akquirierte Mandanten hat der BFH nicht problematisiert
- Unschädlich ist ferner eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit in geringem Umfang
Die m.E. neuen Aussagen des aktuellen Urteils:
- Die Aufnahme der früheren Tätigkeit ist auch dann für die Anwendung von § 18 (3) EStG schädlich, wenn sie nicht von Beginn an beabsichtigt gewesen ist
- Der Grund für die Wiederaufnahme ist unbedeutend
- Ganz bedeutsam ist m.E. die folgende Aussage: Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 (3) EStG entfallen bei einer verfrühten Wiederaufnahme nicht nachträglich. Vielmehr lässt sich erst nach einem gewissen Zeitablauf erkennen, ob der Tatbestand des § 18 (3) EStG erfüllt ist.
- Zur Frage wie lange die Karenzzeit nach der Praxisveräußerung bis zur Wiederaufnahme ist, lässt der BFH in gewohnter Weise unkonkret offen.
- Die Karenzzeit hängt nach seiner Auffassung von den Umständen des Einzelfalls ab (ausgehend von einer Entscheidung des BFH geht die Literatur von einem Zeitraum von 2 – 3 Jahren aus).
- Der BFH hat jetzt jedoch deutlich gemacht, dass sich diese Frist tendenziell verlängert, wenn der Veräußerer für den Erwerber tätig wird und dadurch der Mandantenkontakt fortbesteht.
- Gleichzeitig hat er jedoch angedeutet, dass AfA-Zeitraum für den Praxiswert ein konkreter Anhaltspunkt sein könne. Hieraus kann m.E. geschlossen werden, dass grundsätzlich ein Zeitraum von 3 Jahren ausreichend ist.
- Anderseits kann aus den Aussagen des BFH, dass aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls 22 Monate auf jeden Fall zu gering gewesen seien, möglicherweise geschlossen werden, dass 24 Monate möglicherweise schon ausreichend sind.
Die weiteren Rückschlüsse, die die Entscheidung zulässt, vgl. Korn, NWB 2018, 3800 und Kösdi-12-2108, 21023
a) Keine Einzelpraxis, sondern eine Sozietät etc.
Fraglich ist, ob es ebenfalls schädlich ist, wenn nicht der Veräußerer selbst die Tätigkeit innerhalb der Karenzzeit selbst fortsetzt, sondern eine Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist.
Wie Korn ausführt, spricht hier vieles für eine Schädlichkeit, da hier der Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen in Frage gestellt sein dürfte.
Einwenden lässt sich – nach Korn – jedoch, dass nicht der Veräußerer die Tätigkeit fortsetzt, sondern eine Mitunternehmerschaft als eigenständiges Steuersubjekt.
b) Die Einbringung nach § 24 UmwStG
Nicht berührt von den vorstehenden Restriktionen dürfte nach Korn die Einbringung zum gemeinen Wert nach § 24 UmwStG (mit Ausnahme der Restriktion des § 24 (3) UmwStG) sein, obwohl der Einbringende als Mitunternehmer beteiligt bleibt, mitarbeitet und Einkünfte aus der Praxis bezieht.
Soweit er jedoch innerhalb der Karenzzeit nach der Einbringung wieder aus der PersGes – unter Wiederaufnahme seiner Tätigkeit – aus, dürfte eine Schädlichkeit gegeben sein.
c) Vorsicht bei der Tätigkeit für den Erwerber
Problematisch kann die weitere Tätigkeit für den Erwerber sein, wenn der Veräußerer insoweit eine eigenverantwortliche Tätigkeit entfaltet und aus diesem Grunde beim Erwerber diesbezüglich gewerbliche Einkünfte entstehen.
Das ist insbesondere dann gefährlich, wenn der Erwerber eine Sozietät ist und hierdurch die Vorschrift des § 15 (3) Nr. 1 EStG greift.
Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich machen, sind Ihre Wünsche dem Grunde relativ einfach erfüllbar. Entscheidend ist jedoch, dass Sie hier eine kompetente Beratung haben, die Ihnen die Wege aufzeigt und Sie bei der Abfassung der erforderlichen Verträge begleitet.